Schützen in Not- und Glanzzeiten

 

Aus dem französisch-preußischen Krieg war Napoleon als Sieger hervorgegangen. In der entscheidenden und unglückseligen Schlacht von Jena (1806) kämpften aus der Landgerneinde Breckerfeld auch Schützen im Hammer Regiment: Johann Peter Koch vom Heede, Karl Wilhelm Kattwinkei von Klütingsbecke, Johann Christopf Schaffland von Schaffland, Joh. Christ. Neuhaus von Berghausen. Koch und Kattwinkel wurden nach Gefangennahme nach Hause geschickt. Schaffland und Neuhaus konnten aus der französischen Gefangenschaft entweichen. Ebenfalls in die Heimat zurück kamen Christ. Brauck vom Brauck, Joh. Peter Schmidt von Kückelhausen, Joh. Peter Meininghaus von Ebbinghausen.

Die Namen Koch, Schaffland und Meininghaus treten in der Schützengeschichte öfter auf, Preußen war von 1806 an unter französischer Verwaltung. Den heimischen Schützengesellschaften hatten die Franzosen große Bedeutung beigemessen; ihre Wehrkraft sollte in erster Linie lahmgelegt werden. Alle Schützenvereine wurden daher verboten und sie mußten ihre Vereinsunterlagen abliefern. Auch in französischer Zeit wurde in Breckerfeld an der Person des Bauernführers festgehalten. Ein Zeichen für den allgemeinen Charakter dieses Amtes, das ihn nicht nur zum Vorstand der Schützen hatte werden lassen.

Der Kirchspielschützenverein lag also darnieder. Männer aus der Landgemeinde wurden auch für das französische Heer gezogen. Sie machten Feldzüge nach Spanien und Rußland mit. Im spanischen Krieg (1808 - 09) fielen:

Flasnoecker von Bühren, J. P. Holthaus von Walkmühle, J. P. Hesterberg von Königsheide.

Auf den Eisfeldern Rußlands blieben: R. Schaffland von Langscheid, Aug. Ferd. Goebeler von Epscheid, H. W. Pathe von Ebbinghausen. Die Franzosen waren nach ihren Feldzügen im Osten verwundbar geworden. Diese Gelegenheit nutzten die verbündeten Truppen, unter ihnen das stehende preußische Heer. In der Völkerschlacht bei Leipzig (1813) wurden die Franzosen empfindlich geschlagen. Von nun an setzten die Freiheitskriege ein, und Preußen mobilisierte (1813 - 15), um die Besatzer endgültig zu vertreiben. Soldaten aus der Landgemeinde waren in dieser Zeit: Christian Baunscheid aus Epscheid, Joh. Clever aus Delle, H. Wilh. Halverscheid aus Boßel, Krugmann sen. aus Ehringhausen.

Ruhige Zeiten kehrten erst 1815 wieder ein. Im Landbezirk war eine große Zahl von ehemaligen Kriegsteilnehmern vorhanden. Der Oberschwang des Sieges ließ sie die erlittene Not bald vergessen. Man kehrte wieder zu den alten Traditionen zurück. Die Zeiten ohne Schützenfeste, die von 1792 bis 1814 ausfallen mußten, sollten bald vorbei sein. Ähnlich wie die Altenaer Schützen müssen ab 1815 auch die Breckerfelder Bauern wieder mit ihrem Vogelschießen begonnen haben Die Feiern dürften in besonderem vaterländischen Glanz begangen worden sein. Allerdings ist der Wiederbeginn 1815 nicht belegt, aber sehr wahrscheinlich. Das Vereinsleben in Breckerfeld kam allgemein wieder in Gang. Gegründet wurde 1815 der "Erinnerungsverein der Kriegsfreiwilligen und Veteranen aus den Freiheitskämpfen 1813 - 15". Die Nachbarschaft Epscheid nahm ihre altgewohnten Zusammenkünfte wieder auf. Die Bauernschützen im Glanz ihrer Heldentaten können daher kaum zurückgestanden haben. Auch der erhaltene Bericht aus der Zeitung "Herrmann" von 1824 spricht wieder von einem jährlichen Volksvergnügen des Bauernvogelschießens. Dieser Tradition wegen wurde das Breckerfelder Ereignis geschildert; in diesem Blatt als "Hort deutschen Denkens" hatte es seinen richtigen Platz. Der Schreiber selbst hatte seine Jugend in Breckerfeld verbracht (wohl vor 1790), er war daher sehr gut informiert.

 Das Schießen nach der Fahne war dem Schreiber offenbar sehr wohl bekannt. Er könnte es von seiner Kindheit her, also vor 1790, noch miterlebt haben. Es ist sicherlich anzunehmen: das Fahneschießen muß üblich geworden sein, nachdem der letzte gewählte Fähnrich Died. Christ. Hackenberg gestorben war.

Lange Zeit nach 1824 hören wir nichts mehr von den Bauernvogel- schützen. Aber ihre Aktivität kann für die 1820'er bis 1840'er Jahre unterstellt werden. Die Zeit drängte geradezu nach dem Auftreten der Bauern. Vom König hatten die Untertanen die landständische Verfassung gewünscht, und nach des Monarchen Äußerungen sollten sie bei der "Repräsentation des Volkes" vertreten sein. Doch zunächst blieb es ein Versprechen. Auch die märkische Oberschicht hatte sich seit 1814 den Bauern sehr gewogen gezeigt. Der Fabrikkommissar Eversmann trug 1814 zuerst den blauen Bauernkittel und machte ihn dadurch als Bekleidung für die vornehmen Leute bekannt. Seinem Beispiel folgte der Freiherr von Syberg zum Busch und schließlich sogar der Oberpräsident von Vincke, der im blauen Kittel über Land ging. Bei diesen Gunstbezeugungen für das Bauerntum als treuer Staatsdienerschaft hätten die hiesigen Gemeindeschützen falsch gehandelt, wenn sie ihren Bauernstand nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit vorgeführt hätten. Die Feierlichkeiten zum Bauernvogelschießen müssen dafür in den 1830er und 1840er Jahren der richtige Rahmen gewesen sein. Vor allem standen die Schützen in dieser Zeit nicht in Verdacht freiheitlicher Umtriebe, die man den Turnern nach- sagte und die zu deren Verbot führten (Turnsperre bis 1842).

Wenn sich die Schützen auch nicht in die innerstaatlichen Kämpfe zur Herbeiführung der Demokratie einschalteten, so standen sie dieser Bestrebung doch nicht ablehnend gegenüber. Die geordneten Vereinstraditionen müssen in diesen Zeiten bis um 1853 durcheinander ge- kommen sein. Willkürliche Abänderungen des Herkommens werden bei der Neufassung der Statuten (1853) erwähnt, wozu die allgemeine freiheitliche Einstellung sicherlich beigetragen hatte. Der Bauernführer sollte nicht mehr auf Lebenszeit gewählt werden, ihm und den Unter- offizieren wurde die Amtszeit verkürzt auf drei Jahre. Der Begriff "Wahlperiode" fand in den Bestimmungen erstmalig seinen Niederschlag. Die Bauernschützen brachten 1853 ihren Verein "wieder in Ordnung", nachdem auch ihr Stand kurz vorher (1850) Berücksichtigung beim Dreiklassenwahlrecht erhalten hatte. Die Bauern waren im Vergleich zu ihrer Stellung in den Jahrhunderten vorher erheblich aufgewertet worden. Neu ist die Schießordnung, nach der bauernschaftsweise in vorgegebener Reihenfolge geschossen wird. Die alte Teilnahmeverpflichtung aller Eingesessenen am Fest wird abgelöst zugunsten eines Schußrechtes, das man nur bei Anwesenheit nutzen kann. Das Schußgeld beträgt 3 Silbergroschen je Schuß. Schußrecht hatten nur Grundstücks- und Hauseigentümer. Hatte jemand mehrere Häuser oder Grundstücke, standen ihm entsprechend viele Schüsse zu. Fähnrich wird jeweils jährlich der zweitbeste Schütze; diese Regelung sei bisher üblich gewesen.

In diesem Jahr war eine Besonderheit zu vermerken. Das übliche Schießen hatte kein eindeutiges Ergebnis gebracht, wer nun König war. Eine Wiederholung wurde erforderlich. Das zweitemal sollte das Königsschießen bei (Wirt?) Hesterberg am Schlagbaum stattfinden. Doch ausdrücklich wurde festgelegt, demnächst wieder dort zu feiern, wo der König wohnte. Das erwähnte Schußgeld von 3 Silbergroschen stellte den Mitgliedsbeitrag zum Verein dar. Wer es bezahlte, gehörte also dazu. Die Schützen verfügten somit, wie auch heute noch, über keinen festen Bestand an Vereinsmitgliedern. Von 1858 an setzt auch wieder die schriftliche Überlieferung des Vereins ein. 1861 wurde versäumt, den dreijährigen Rhythmus für die Wahl von Führer und Unteroffizieren einzuhalten; dies holte man erst 1864 nach. Die alten Kandidaten waren also stillschweigend für zwei Perioden eingesetzt worden. Im Juni 1865 brachten die Bauernschützen bei ihrer Landgemeinde das Vorrecht von König und Fähnrich in Erinnerung. Sie schrieben:

"Der Vorstand der Breckerfelder Landgemeinde-Schützengesellschaft war heute versammelt und beschloß, an die Gemeindeversammlung des Kirchspiels Breckerfeld folgenden Antrag zu stellen. Nach altem Herkommen ist der König der Breckerfelder Landgemeinde-Schützen- gesellschaft jedesmal für das betreffende Jahr von allen Hand- und Spanndiensten, Einquartierungslasten, Kriegsfuhren und Bauernbotendiensten befreit. Die hierüber lautenden alten Statuten und Urkunden scheinen verloren gegangen zu sein. Die Befreiung von den fraglichen Diensten ist durch ihre über 100jährige und stets unangegriffene Existenz förmlich zur Observanz geworden. Wir stellen deshalb an die Gemeindevertretung des Kirchspiels Breckerfeld den Antrag, diese Observanz auch jetzt noch und für kommende Zeiten als zum Recht bestehend anzuerkennen. Die genannte Befreiung von den angeführten Gemeindediensten stand früher auch dem Fähnrich zu, deshalb bitten wir auch, auf diesen jene Vergünstigung auszudehnen.

Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben

gezeichnet:

Johann Friedrich Niggeloh, Fr. W. Meininghaus, Daniel Paulmann, Friederich Rutenbeck, Friedr. Schaffland."

Als in den 1860er Jahren immer mehr der Ruf der Deutschen nach nationaler Einheit erschallte, waren auch die Schützen bereit. Dieses gemeinsame Anliegen wollten sie unterstützen. Der Verein sollte neuen Glanz erhalten und nach außen hin geschlossen in Erscheinung treten. Man wollte so stramm und straff sein wie die Turner, die man allgemein wegen ihrer Organisation, der Gliederung in Gaue und Bezirke, bewunderte. Eine neue Fahne mußte her! Zunächst beschloß man daher (1867), die alte Gewohnheit wieder in Gang zu setzen, den Beitrag wieder zu kassieren, notfalls sogar beitreiben zu lassen. Neuer Beitragssatz sollte 1 Silbergroschen und 2 Pfennig sein. Dieser Beschluß kam mit Zustimmung des Gemeinderates zustande.

Die alte Bauernfahne erfüllte ihren Zweck nicht mehr, sie war defekt. 1868 unterbreitete Friedr. Roland seine Vorstellungen von der neuen Fahne der Berliner Seidenstickerei-Manufaktur Bessert-Nettelbeck. Gewünscht wurde eine Ausfertigung in gold-weiß-rot mit preußischem Adler.

Die Rechnung von 60 Talern und 20 Stübern forderte mehr als den vorhandenen Kassenbestand von 58-22-9 Talern. Zunächst wurden 45 Taler angezahlt, der Rest von 15-20 Taler wurde später geleistet. Zusammen mit Porto kostete die Fahne 62-8 Taler, und ein Kassenvorschuß von 3-15 Taler mußte in Kauf genommen werden.

1874 wurde ein neuer Beschluß gefaßt. Auf dem Schützenfest sollten jedes Jahr sämtliche Festangelegenheiten besprochen werden. Dieses Jahr fange man damit bei (König!) Julius Junge zu Königsheide an. Der neue König habe das nächste Jahr die Festlichkeiten zu regeln. Die ergänzende Regelung von 1892  befaßt sich nur mit Festangelegenheiten. Insbesondere war von Wichtigkeit, wer die Wirtschaft bekam und wie er sich zu verhalten habe. Der Verein konnte in dieser tiefen Friedenszeit sich ganz seinen Feiern hingeben. 1897 wird beschlossen, regelmäßig Stellvertreter für Führer und Unteroffiziere zu wählen. In den Festberichten von 1892 bis 1900 werden die Teilnehmerzahlen im Durchschnitt mit bis zu 50 Mann angegeben. Der Ablauf ist bei jeder Feier gleich: Sammlung beim Breckerfelder Vereinswirt, Marsch zum Fähnrich, dort wird Kaffee getrunken und die Fahne abgeholt. Der Zug bewegt sich weiter zum König, der einen Imbiß hat bereiten lassen. Mittagessen, Königsschießen und Festlichkeiten mit Ball schließen sich an.

1899 wurde die Stadt Breckerfeld und die Landgemeinde Brerkerfeld vereinigt; sie hieß nun "Landgemeinde Breckerfeld". Verbunden war damit eine Veränderung der Bauernschaftsgrenzen. Die Bauernschaften erhielten nämlich die ehemaligen Außenbürgerschaften zugesprochen. Dadurch veränderte sich die feststehende Schußzahl je Bauernschaft. Es handelte sich hier um die Obergrenze der Schußberechtigung, und zwar für Ebbinghausen 59, Brenscheid 62, Neuenloh 54, Bühren 83 und Berghausen 94. Für jeden Schuß sollte eine Minute angesetzt werden.


Quelle: Festschrift zum Jubiläum 1979 von Armin Voß