Donnerrohre in Breckerfeld

Die Erfindung oder Wiederentdeckung des Schwarzpulvers um 1300 hatte das mittelalterliche Waffenwesen revolutioniert. Die Vorderlader verdrängten Lanzen, Hellebarden und Armbrüste. Die Schützen jener Zeit stellten sich schnell ein auf diese Neuerung und rüsteten auf Büchsen um. Schon 1330/31 machten die Soester Bekanntschaft mit den Gewehren, und 1363 erwähnt die Stadtrechnung von Soest die Anschaffung einer Büchse. Die neuen Waffen waren mithin in Westfalen schon früh im Gebrauch, und sie werden besonders bei den Hansestädten, zu denen Soest gehörte, allgemein beliebt gewesen sein. Denn die reisenden Kaufleute konnten sich damit selbst wirkungsvoll schützen.

Hansische Verbindungen hatte auch schon das vorstädtische Breckerfeld, wo seit altersher Eisen gewonnen und verarbeitet wurde. Zudem führte der hansische Handelsweg über Breckerfeld nach Köln und von dort in die übrige Weit, in alle Teile Europas. Hier am Ort können die Büchsen schon keine Neuheit mehr gewesen sein, als 1396 im Stadtrechtsprivileg erstmals Schützen erwähnt werden. Die Ausrüstung der Breckerfelder Schützen mit Donnerbüchsen kann für diese Zeit schon unterstellt werden, zumal jetzt auf den märkischen Schützenfesten die "Schützenrohre" zu knallen beginnen.

Von den neuen Waffen lernte man in Breckerfeld zuerst die Büchsen, dann um 1400 auch die Kanonen kennen. Diese Kriegsmaschinen wurden auf den Wällen vor verschiedenen westfälischen Städten aufgestellt und schleuderten den anrückenden Heeren die Kugeln entgegen. Damals durfte die "Kesselaccise", eine Brau- und Schlachtsteuer, erhoben werden, und die Einnahmen hieraus sollten für diese Wehranlagen mit verwendet werden. Die Stadtmauer bestand zu dieser Zeit noch nicht. Sie wurde erst um 1449/50 erbaut, wie die älteste Stadtrechnung es ausweist. In diesen Jahren wurde nämlich eine Vielzahl von Steinfuhrrechnungen aufgezeichnet. Die Wehranlage von 1405 kann daher nur ein Wall mit Stadtgraben gewesen sein, der lt. Stadtrechnung noch 1450 erwähnt wird, als man Steine ablud und in den Graben kippte. Die Geschütze werden erstmals im Kriege der Landesherren von Kleve und Mark (ab 1418) eingesetzt worden sein; sie hießen auch "Katten" (von lat. catti) und wurden in Friedenszeiten in Stadtnähe aufbewahrt. Unterstellplätze waren die "Katthagen" oder ähnlich bezeichnete Orte. Vor dem südlichen Stadttore Breckerfelds gibt es einen "Kattenbusch", ebenso ein "Katzenloch" bei der alten Epscheider Pulvermühle. Hier können die Kanonen gelagert haben.

Die in diesem Zusammenhang verwertbaren schriftlichen Belege der Stadt Breckerfeld setzten erst 1449/50 ein; es handelt sich um das älteste Einnahme- und Ausgabebuch. Die Unterlagen sagen zwar nichts aus über die oben dargestellte Entwicklung des Waffenwesens, sie bestätigen aber die angenommene hohe Blütezeit der Explosivwaffen. Breckerfeld kaufte 1449 Draht zur Reparatur einer Büchse, und 1450 schaffte man eine Büchse an. 1449 hatte Breckerfeld schon für fünf Pulverbestellungen Zahlungen zu leisten; das Pulver hieß damals noch "Donnerkraut". Die neue Büchse war somit ganz offensichtlich keine Erstanschaffung, es kann nur ein Ergänzungskauf gewesen sein. Der hohe Pulververbrauch läßt auf einen großen Waffenbestand schließen, der kaum kurzfristig angelegt sein konnte, sondern als Ergebnis jahrzehntelanger Ausrüstung gesehen werden muß. Man war besorgt um das eigene Waffenarsenal und besonders froh, als die Büchsen 1449 nicht dem Heer zur Verfügung gestellt zu werden brauchten. Indirekt erbringen die örtlichen Geschichtsquellen den Nachweis für einen Schußwaffengebrauch zum Ende des 14. Jahrhunderts. Um 1449 war man noch auf den Bezug des Pulvers von auswärts angewiesen. Die Lieferanten saßen in Dahl, Lüdenscheid und Altena, jedenfalls wurden dorthin die Zahlungen geleistet. Ob es an diesen Orten schon hergestellt wurde, muß bezweifelt werden. Wahrscheinlich wohnten hier nur die Zwischenhändler.

Das Pulvermachergewerbe war wohl zuerst in den Rheinlanden und dem Bergischen beheimatet, bevor es in der Mark Mitte des 16. Jahrhunderts angesiedelt wurde. Maßgeblichen Anteil daran hatten Mitglieder der Familie Cramer aus Dörscheln. Sie ließen sich im Gebiet von Rönsahl nieder und eröffneten dort um 1560 die ersten märkischen Pulvermühlen. Rönsahl gehörte damals noch zum Gerichtsbezirk Breckerfeld.

Angehörige der Familie Cramer waren später auch im Stadtgebiet Breckerfeld vertreten. Sie und die Familie Goebel brachten vermutlich auch das Pulvermachergewerbe nach Breckerfeld. Im städtischen Talbereich an der Volme bildete sich der Ortsteil Pulvermühle, und auch im Tal der sauren Epscheid wurde für die Pulverherstellung gearbeitet. In den Stadtrechnungen von Siegen bis 1676 wird ein Reinhard Cramer aus Breckerfeld erwähnt, dem man für 20 Gulden und 15 Albi insgesamt 71 1/2 Pfund Pulver abkaufte.

In der Epscheid stand die alte Pulvermühle am "Katzenloch", wo sich der Wahnscheider Bach mit dem Bach der sauren Epscheid vereinigt. Reste der alten Staumauer sind noch erhalten. Die Lagerhäuser der 15  dortigen Pulvermacher standen weiter oberhalb im Epscheider Tal. Das Baumaterial hierfür stammte offensichtlich aus dem Steinbruch in der Nähe dieser Häuser. Ein abgebrochenes Lagerhaus wurde 1714 gebaut, die Torbalkeninschrift mit dieser Jahreszahl ist heute noch vorhanden. Gelagert wurden hier vermutlich nicht die Fertigprodukte, sondern das Vormaterial, etwa die trockene Holzkohle des Faulbaumes.

Das Schwarzpulver war ein Gemisch aus Salpeter, Schwefel und Holzkohle. Zwischen glatten Mühlsteinen, die durch Wasserkraft getrieben wurden und gegeneinanderliefen, wurde es gemahlen. Gebrauchsfähig (leichtentzündlich) war es in trockenem Zustand; es konnte daher nur als nasse Masse verarbeitet und angefeuchtet transportiert werden. Versandgefäße waren kleine 20-kg-Fässer aus Holz, in denen das Pulver nicht so leicht austrocknen konnte.


Quelle: Festschrift zum Jubiläum 1979 von Armin Voß