Die Bauern und ihr neuer Schützenverein

Die Großmachtbestrebungen Preußens sollten das Land in zahlreiche innereuropäische Kriege verwickeln. Schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts trug der König sich mit der Absicht, die allgemeine Wehrpflicht einzuführen. Aber zunächst vertraute er noch auf das selbständige Wachsen des Wehrwillens. Erst als sich in diesem Punkte kein entscheidender Fortschritt zeigte, war die Wehrpflicht im Jahre 1733 unumgänglich geworden. Die Bevölkerung ahnte lange vorher den angehenden Militarismus. Der Bauer, der nie des Soldaten Freund gewesen war, zeigte sich besonders kritisch. Auf dem Lande war der Wehrwille deshalb stark zurückgegangen.

Bei dieser Ausgangslage um 1700 zeigte sich die Obrigkeit erfinderisch: mit "Speck wollte man zunächst die Mäuse fangen". Die Landmiliz sollte wieder aufgebaut werden. Durch höchste Verordnung erwies man sich plötzlich den Schützen als sehr gewogen. 1704 durften die Schützengesellschaften wieder gegründet werden, wenn die Vereine sich auch wesentliche Umgestaltungen gefallen lassen mußten. Man hoffte auf eine zunehmende Wehrbereitschaft, wenn die Schützen wieder zu einigen ihrer alten und liebgewordenen Schützentraditionen zurückkehren konnten. Diese Initiative fiel auch in Breckerfeld auf fruchtbaren Boden. Noch 1704, als die königliche Verordnung herauskam, wurde die Schützengesellschaft des Kirchspiels Breckerfeld gegründet. Das Gründungsjahr ist aufgemalt auf ein Lederherz, an das der silberne Vogel als Königswürde angehängt ist. Vorher konnte kein Verein dieser Art in Preußen entstehen, da sich die Regierung bis dahin den Schützen gegenüber sehr ablehnend verhielt.

Der neue Verein startete unter günstigen Voraussetzungen. Erlaubt war den Schützen der Aufzug zu ihrem jährlichen Fest. Dieser Aufzug sollte das Spiegelbild des alten Bauernaufgebotes sein, das sich auf seinem Marsch zu der Musterung in Lüdenscheid befand. Diese Verbindung zur alten Landesmiliz wird noch augenfälliger gemacht durch die Anwesenheit des Altenaer Amtmanns bei der Fähnrichseinsetzung. Es sollte alles wie zu Väters Zeiten ablaufen. Und hieran werden sich alle Kirchspieleingesessenen noch gut erinnert haben. Nun stand nicht der unmittelbare Ernst des Wehrdienstes hinter dem Aufmarsch. Der Zustrom zu den Festen muß daher groß gewesen sein. Der Verein trug sich selbst aus eigenen Beiträgen. Noch wurden keine Klagen laut wegen der Kostenumlage; dies sollte erst später der Fall sein. Im Anfang war jeder Eingesessene zur Teilnahme am Festumzug verpflichtet, wie sich aus den Statuten von 1749 noch entnehmen läßt. Wer dies versäumte, hatte eine Strafe zu zahlen.

Der Vereinsführer wirkte im wesentlichen für den Verein nach außen hin. Er war Bindeglied zur Gemeindeverwaltung, von der er auch mit 4 Reichstalern Jahresgehalt bezahlt wurde. Ihm war der Verein anvertraut, um mit ihm die Ziele der Obrigkeit zu verwirklichen. Schützen sollten geworben und durch das Vereinsleben für eine militärische Laufbahn "erwärmt" werden. Außerdem hatte der Führer Schützen abzustellen für die Schützenmannschaft, die von der Landgemeinde und der Stadt Breckerfeld gemeinsam gebildet wurde, um die örtlichen Wacht- und Aufsichtsdienste zu erfüllen. Bei Rekrutenanforderungen, die über die Gemeindeverwaltung liefen, war der Führer mit Sicherheit beteiligt. Er wird versucht haben, nur Leute abzugeben, die er als Schützen nicht selbst bei der "Ortspolizei" brauchte. Der Führer konnte daher wohl darauf einwirken, wer eingezogen wurde oder nicht. Manch einer wird lieber gemeiner Schütze geworden sein, kleinere Gemeindeaufgaben übernommen haben und selbst "Zusammenkünfte, Marches, Postierungen" unter Aufsicht des Fähnrichs mitgemacht haben, als den Militärdienst aufzunehmen. Es war daher gut, in der Gunst des Führers zu stehen, wodurch dessen Person allgemein aufgewertet war.

Vereirisintern hatte der Führer wohl auch zu Anfang schon eine Funktion als "Schiedsrichter", dem beim Vogelschießen die Schußkarten zur Auswertung zu übergeben waren; so war es jedenfalls noch nach der Schießordnung von 1853 üblich.

Lange Amtsperioden waren für den Führer wohl der Regelfall. Er wurde gewählt, wenn auch nicht auf Lebenszeit. 1853 wurde seine Amtszeit auf 3 Jahre festgelegt. Das Führergehalt ist in allen erhaltenen Kirchspielrechnungen aufgeführt, so in den Unterlagen von 1727 - 36, 1759 - 67 und 1778 - 1800. Leider werden die Namen der jeweiligen Führer nicht immer mitgeteilt. Als Führer werden genannt 1706 Johannes Saalmann aus Altenbreckerfeld, 1736 Loeven (kein Vorname) und 1763 - 1800 (!) Johann Peter Loeven.

 Der Fähnrich war die' wichtigste Person im Vereinsleben. Ihm war Folge zu leisten, er war eine Respektsperson. Er wurde von den Eingesessenen der Landgemeinde nach uralter Tradition auf Lebenszeit gewählt. Die Fahne wurde ihm vom Amtmann aus Altena überreicht; er hatte sie aufzubewahren und bei jedem Aufzug voranzutragen. Nach der Schießordnung in den Statuten von 1749 hatte er die Umlage zu kassieren, darüber Rechnung zu führen und Auszahlungen vorzunehmen. Zu den letzteren gehörten die Kosten für den Königshut und die Zulage zum Führergehalt. Mit ihm stand und fiel das Fest; er war die Seele oder der Organisator des Vereins. Er erhielt Vergünstigungen ("Praerogative") als Ausgleich für seine Tätigkeit. Wie aus einer Eingabe der Bauern an die Gemeindeverwaltung aus dem Jahre 1865 hervorgeht, waren König und Fähnrich befreit von Einquartierungslasten, Hand- und Spanndiensten, Bauernbotendienst und Kriegsfuhren. Diese Vorteile, die 1741 erwähnt werden, hatten schon die Vorgänger des damaligen Fähnrichs genossen. Der Fähnrich mußte sich für die erhaltene Amtswürde erkenntlich zeigen, für jede Bauernschaft 1 Tonne, also 5 Tonnen Keut (dünnes Malzbier) ausgeben und außerdem einen neuen Schützenhut kaufen, den nach einem Wettschießen der beste Schütze erhielt. Dieser Kostenbeitrag war traditionell und wohl das Gegengewicht für die "Prärogativen"; der Fähnrich von 1743 zahlte ebenso "wie sein seeliger Vater getan (1707)". Der Fähnrich gehörte zum Vereinsgremium, das über Streitigkeiten, Entscheidungen usw. befand. Wie begehrt der Posten des Fähnrichs war, zeigt der Streit von 1743, der in allen Einzelheiten den Urkunden im Anhang entnommen werden kann.

Urkundenübersetzung:

Kund und zu wissen sei hiermit, (daß)

- nachdem durch Absterben des Scheffen Diedrich Hackenberg zu Dörnen die von ihm       vertretene Fähnrichs-Stelle im Kirchspiel Brekkerfeld vacant geworden,

- und (nachdem) dann bei jüngsthin von den Eingesessenen gehaltenen Aufzuge und Scheiben-Schießen (die) Vorsteher und übrigen Interessenten diese Kirchspiels-Fahne aus des verstorbenen Fähnrichs Hause zurückgeholet,

 - (und nachdem sie) mithin (diese Fahne) auf den ordentlichen zur Zusammenkunft und (zum) Scheiben-Schießen destinirten Platz hinführen (haben) lassen,

- (und nachdem) indessen ein starker Regen eingefallen, daß solche zur Conservation und Abkehrung alles Schadens an das nächst vorigen Schützenkönigs und Vorstandes Jacob Hirsebein Hause zum Eicken hingesetzet,

- (und nachdem es) auch (so gewesen sei), daß sich damals wegen des ungestümen Wetters (es sich) nicht fügen wollte, hergebrachter Maßen in pleno einen anderen Fähnrich hinwiederum zu wählen, so ist vom Vorstand und Interessenten für gut befunden und beschlossen worden (ist)

die Fahne bis zur nächsten Zusammenkunft und Überlegung, wer hinwieder zum Fähnrich elegiret werden solle, an des Receptors Wellershaus Behausung verwahrlich hinzubringen (sei), welches dann auch auf des Vorstehers und der übrigen Interessenten Verlangen durch Nicolaus zu Langscheid geschehen.

Als dieses vorgegangen, hat folgender des abgelebten Fähnrichs Sohn (und) Scheffe Diedrich Christoph Hackenberg (den) genannten Nicolaus zu Langscheid deshalb pro Fisco denunciret. Hiernach (hat er) ein anmaßliches Spoliurn (= Begehren) formiret und unterm Vorwande (vorgebracht), es wäre ihm (die) Fähnrichs-Stelle von Seiner Königl (ichen) Majestäts Hochlöbliche Allerhöchste Regierung conferirt (=verliehen) und hierüber (sei ihm) ad Judice die Confirmation ertheilet (worden). (Deshalb hat er) bei Herrn Hogreffe zu Breckerfeld, Grüter, die Zurückbringung der Fahne an sein Haus verlangst. (Auf- grund) welcher (=dieser) Petitio (wurde) auch von wohlgenanntem Herrn Hogreffe deferirt und mehrgedachtem Nicolaus zu Langscheid (befohlen), die Fahne an des Denuncianten Haus zu restituiren, bei (Androhung einer Strafe) von 10 Goldgulden. Hierab (= daraufhin) aber (ist), da sothanes decretum partibus in auditis absque alle Clauseln ex abrupto ertheilet ist, remediajuris interponiret und ad superius judicum provoiret worden.

Wie es nun im Kirchspiel Breckerfeld Herkommens und eine uralte Observanz ist, daß genannte Kirchspiels Eingesessenen jeder Zeit einen Fähnrich erwählet, welches auch noch zuletzt, als der immediate vorher gewesene Fähnrich Peter zu Bühren verstorben, geschehen also und dergestalt, daß die Fahne von Bühren nach Altenbreckerfeld zu dem damaligen Führer Johannes Saalmann gebracht, darauf der Scheffe Diedrich Hackenberg, bei Zusammenkunft des ganzen Kirchspiels, einhellig hinwieder zum Fähnrich elegiret worden und ist bei einem zu selbigen Zeit gehaltenem Aufzuge, wo der Herr Drost von Neuhoff mit präsent gewesen, welcher diese gethane Wählung approbiret und darauf genannten Hackenberg mit Überreichung der Fahne den Eingesessenen zum Fähnrich präsentiret hat.

 So wird von Seiten des Kirchspiels dafür gehalten, daß Dietrich Christoph Hackenberg, außer vorhergegangener, observanzmäßiger Einwilligung der Eingesessenen zu einseitig die Fähnrichs-Stelle unbillig geführet, es ist auch in der deshalb an Herrn Hogreffe Grüter ergangenen, nunmehr allererst zur Notification gekommenen Verordnung partico expresse Clauseln ausgedrückt, daß derselbe genannten Hakkenberg nicht positive, sondern wenn dabei kein Bedenken wäre, zum Fähnrich anordnen sollte; dieses Bedenken aber würde sich, wenn den unter die Fahne gehörigen Kirchspiels Eingesessenen Allerhöchste Verordnung, wie billig bekannt gemacht und sie darüber gehört worden, fort geäußert haben, daß nämlich, ohne Vorwissen und Bewilligung des Kirchspiels der Hackenberg von Herrn Hogreffe propria marte ex abrupto nicht zum Fähnrich bestellt werden könne, gleich dann er, Hackenberg, hierunter seine Unfuge, das das Kirchspiel vorbeigegangen, und die Fähnrichs-Stelle ohne dessen Consens einseitig gesucht, von freien Stücken anerkannt und diese aus Unbedachtsamkeit und Unverstand geschehen zu sein contestiret, füglich die aus Übereilung und unzeitigem Eifer gethane Spolien-Denunciation revociret, forthin bei dem Vorsteher, sowohl durch seinen Schwager, als er selbst sich gemeldet hat, mit Ersuchen, es möchte ihm doch die Fähnrichs-Stelle und er hierzu an seines seligen Vaters Platz angenommen werden. Ja, der Herr Hogreffe soll, nach der Hackenbergs und seines Schwagers Relation selber gerathen haben, daß er sich hierüber mit dem Kirchspiel in Güte vereinigen möchte.

Welchem nach amore pacis jeder vorsteher sich resolviret und für rathsam befunden, vorerst pro conservando jure seine Bauerschaft deshalb zur Rede zu stellen und wie selbige darin seinen Consens ertheilet, daß Diedrich Christoph Hackenberg zum Fähnrich erwählet und dafür hinfüro zeitlebens erkannt werden möchte.

 Als ist er darauf nunmehro cum consensu der ganzen Communität  ordentlich zum Fähnrich vociret und soll ihm bei ehestenst anzustellender Congregation die Fahne mit gebräuchlicher Solemnität ausgeantwortet werden, wogegen Hackenberg, gleich (wie) auch sein seliger Vater gethan, sich verbunden, den Kirchspiels Eingesessenen fünf Tonnen Keut zum Verzehren hinzugeben, auch einen neuen Hut, worüber nach der Scheibe geschossen und welcher dem Gewinner verabfolgt werden soll, ohnentgeltlich anzuschaffen, imgleichen die hierbei aufgegangenen Kosten abzutragen, womit dann zur Hebung alles Streites die Sache in Güte auf einmal völlig hingelegt worden.

Urkundlich contrahenten Unterschriften.

So geschehen Breckerfeld, den 7. August 1743

Gez. Diedrich Christoph Hackenberg, P. Wellershaus, Peter zu Bühren, Joh. Christ. Trimpop, Jacob Niggeloh, Steffen Hesterberg, Eberh. zu Kregeloh, Diedrich zu Löwen, Christoff vom Holl, Johann zu Wahnscheid

Fähnrich waren: bis 1707 Peter von Bühren, 1707 bis 1740 Diedrich Hackenberg, 1741 bis etwa 1773 Diedrich Christoph Hackenberg. Der letztere wird in diesem Jahr noch als Scheffe bei der Landgemeinde genannt, danach nicht mehr. Damit endet auch die Reihe der gewählten Fähnriche. Von nun an muß es üblich geworden sein, die Stellung des Fähnrichs auszuschießen. Wer nun nach dem König den nächstbesten Schuß tat, war neuer Fähnrich.

Vereins- Unteroffiziere werden schon 1707 erwähnt. Wie später belegt, gab es davon immer fünf; sie standen dem Fähnrich zur Seite. Sie wurden von den einzelnen Bauernschaften gestellt und von diesen auch gewählt. Ihre Amtszeit war anfangs wohl nicht genau begrenzt, dies wurde erst 1853 mit 3 Jahren festgelegt. Die Männer, die als Mitorganisatoren des Festes zu charakterisieren sind, mußten verläßlich sein und mit den Angelegenheiten des Vereins vertraut sein. Durch ihre Mithilfe waren alle Bauerschaften gleichmäßig an der Ausrichtung des Festes beteiligt. Nach den Vereinsstatuten von 1749 heißen sie auch Corporäle. Einzelheiten ihrer Tätigkeiten werden erwähnt: Entgegennahme der Umlage bei den Schützen ihrer Bauernschaft, zwangsweises Einziehen des nicht zurückgegebenen Bauernvogels, Kassieren der Strafgelder, Teilnahme am Vereinsgremium bei Streitigkeiten, Entscheidungen usw.

Der gemeine Schütze muß bei dem mititärähnlichen Aufbau des Vereins als Mannschaftsmitglied gesehen werden. Sie bildeten die Truppe beim Aufzug und hatten sich überhaupt in Disziplin zu üben. Sie unterstanden den Anordnungen und Befehlen des Fähnrichs und seiner Corporäle.

Bauernschützen traten 1727/28 auf den Plan. 30 - 40 Schützen aus den Bauernschaften unter ihrem Führer sollten mithelfen, die Menschenmenge zu vertreiben, die aus Protest die Kirche in Breckerfeld besetzt hielt. Damals lagen die Lutherischen mit den Reformierten im Streit um die Benutzung des Friedhofes und Gotteshauses. Den Schützen aber gelang es mehrmals nicht, die Kirche räumen zu lassen. Wahrscheinlich wendeten sie gegenüber ihren Mitbürgern nicht die rohe Gewalt an, die dann das anrückende Militär hätte ausüben können. Erst die anwesenden Soldaten zwang die Parteien zur Einigung.

Nur im Rahmen des Vereins war eine schieß-sportliche Betätigung möglich. Aber nicht so sehr die sportliche Seite, sondern die gesellschaftlich bedeutsame Veranstaltung mit ihrem Vergnügen wird dem Verein den entscheidenden Zulauf gebracht haben. So hat der Verein auch gleich zu Anfang mit dem Königsschießen begonnen.

Das Fest fand traditionsgemäß am ersten Samstag nach St. Johannis statt. Ausgerichtet wurde es beim jeweiligen König des Vorjahres, bis hierhin marschierte der Aufzug unter Leitung von Fähnrich und Tambour. Nur mit knappen Worten erwähnt das Reglement den gemütlichen Teil des Festes, Gelage und Umtrunk, was gewiß nicht gefehlt hat. Der Fähnrich hatte das übrig gehaltene Geld zur Verzehrung zu geben. Bestimmungen hierüber hatten offenbar in einer strengen Dienstordnung keinen großen Platz einzunehmen. Im übrigen achtete die Obrigkeit auf Einhaltung von Zucht und Ordnung, in Fressen und Saufen werden die Feste aber zunächst auch nicht ausgeartet sein.

Die alte Tradition des Vogelschießens lebte jetzt wieder auf, nachdem es in Breckerfeld unter den Preußen und nach den Kriegswirren des 17. Jahrhunderts in Abgang gekommen war. Die Zeiten der "Königsheide" waren aber noch in Erinnerung. Die Königswürde, der silberne Vogel, ist so gestaltet, wie man es immer gekannt hat. Das Kleinod stellt einen Vogel dar, der auf einem Ast sitzt, an dem die Armbrust angekettet ist. Ganz ähnlich gestaltet, fast deckungsgleich, ist der aus dem 16. Jahrhundert stammende Schützenvogel von Dortmund-Hörde, wo die Abordnungen von Stadt und Landgemeinde Breckerfeld im 16. Jahrhundert mehrfach dem Landesherrn huldigen mußten und auch Schützenumzüge stattfanden. Das kleine Kunstwerk, das die Breckerfelder Bauern in Besitz haben, kann als Arbeit des 16. Jahrhunderts - zumindest aber nach einer Vorlage aus dieser Zeit entstanden angesehen werden. Augenfällig knüpft daher der Bauernvogel an die hohe Schützenzeit des 16. Jahrhunderts an. Der silberne Vogel ist aufgesteckt auf ein Lederherz, das die Gründungsjahreszahl des Vereins von 1704 trägt.

Von diesem Kleinod, dem Vogel, hat das Bauernfest seinen Namen - "Bauernvogelschießen". Im Gegensatz zu anderen Schützen schossen die Bauern immer auf die Scheibe, nicht auf einen Holzvogel. Die Scheibe als Ziel ist auch auf der ältesten erhaltenen Vereinsfahne abgebildet, sie hatte 10 Ringe. Erst später (1853) ist von 12 Ringen auf der Scheibe die Rede.

Der erste König, der für 1740 erwähnt wird, ist Jacob Hirsebein. Er war Bauernvorsteher, und als solcher gehörte er auch zu den Honoratioren der Landgemeinde. Es war sicherlich kein Zufall, einer angesehenen Person den Königsschuß zu überlassen. Ein "betuchter" König konnte zum Gelingen des Festes wohl besser beitragen als ein guter, aber vielleicht armer Schütze. Hiernach stellt sich das Fest schon nicht mehr als echte Wettschießveranstaltung, sondern als Festlichkeit dar. Bezeichnenderweise sind nicht die Zeichen eines strammen Soldaten - wie z. B. die ersten Fahnen, Schärpen usw. - sondern das Symbol der Königswürde und festlichen Dekoration erhalten geblieben. Auch dem König waren Vergünstigungen garantiert als Ausgleich für seine Kosten. Wie schon beim Fähnrich erwähnt, sollte er von Hand- und Spanndiensten usw. befreit sein. Nach Beendigung des Festes sollten ihm die Corporäle und der Tambour die Ehre eines sicheren Geleites bis nach Hause geben. Das Geleit sollte nicht länger als eine halbe Stunde für den Hinweg dauern. Die anfängliche Begeisterung der Schützen muß schon sehr bald nachgelassen haben. Die Zeit des Nordischen Krieges (1713 - 20) und des Schlesischen Krieges (1740 - 45) mit den Rekrutenaushebungen in der Mark werden manchen von militanten Veranstaltungen der damaligen Jahre abgehalten haben. Zudem brachte auch nach 1733, als die Wehrpflicht bestand, das Schützendasein kaum noch einen Vorteil. Auch dem Gemeindeschützen mit örtlichen Aufgaben konnten oft monatelange Wehrübungen bei der auswärtig stationierten Landmiliz nicht erspart werden. Zusammen mit den Soldaten übten sie dann zackiges Exerzieren und Strammstehen. Keinem Bauern wird das geschmeckt haben, denn die Arbeit auf dem Hof blieb liegen. So groß war daher der Unterschied zwischen Schütze und Soldat schon gar nicht mehr. Man wurde erst gar kein Schütze und ließ es darauf ankommen, evtl. eingezogen zu werden, denn entscheidende Nachteile hatte man nicht im Vergleich zum Schützen.

Schon um 1740 müssen sich viele Bauern nicht mehr bereit gezeigt haben, als strammer Schütze am Umzug teilzunehmen. Denn sie wollten die Festumlage nicht mehr bezahlen, wenn sie nicht allem ,.beigewohnt" hatten. Diese Tatsache erwähnt der einleitende Text zum Reglement von 1749, als man die schon seit einigen Jahren eingerissene "Unordnung" bemängelte.

Das gleiche Nachlassen im Eifer zeigte sich bei der gemeinsamen Mannschaft von Bürgerschützen und Bauernschützen im örtlichen Polizeidienst. Es war keine "Elitetruppe" mehr, die 1743 einen Gefangenen aus dem städtischen Rathaus entwischen ließ. 3 Bürger- und 3 Bauernschützen mußten sich Unvorsichtigkeit und fehlende Wachsamkeit vorwerfen lassen. Sie hatten als Strafe jeder einen halben Goldgulden zu bezahlen. Durch diesen Umstand, den die Stadtrech nung beurkundet, haben wir den einzigen Beleg über die vereinbarte Zusammenarbeit der Schützengruppen von Bauern und Bürgern in Händen. Martin aus dem Eggen (Epscheid), Jacob Klauke (Schlage) und der Schütze Ehringhausen (eben dort) ließen sich als Kirchspielsleute ermitteln, die den Bürgerschützen nicht angehört haben konnten. Conrad Thone, Wilm Bonnemann und Caspar Welschholt waren die Bürgerschützen in der Mannschaft, die sich evtl. auch noch vor dem Major von Keslauw verantworten sollte.

Bergaufseher oder Flurschützen waren in Breckerfeld:

1768 - 1784 Johann Peter Koch, 1785 - 86 Kampmann, 1786 - 1800 Johann Peter Kettler.

Zum Wach- und Aufsichtsdienst am Ort kam den Schützen noch die Aufgabe zu, Rekruten zu werben. Nach den Kirchspielrechnungen des 18. Jahrhunderts sind des öfteren Rekrutengelder ausgezahlt worden. Die Schützen brachten auch die Leute nach Altena, die dort ins Gefängnis gesetzt werden sollten. 1764 war davon ausgerechnet ein Junggesellenschütze betroffen, Johann Christoph Effey, der als Randalierer festgesetzt werden sollte; der zweite Junggesellenschütze, Jacob Bühren, des gleichen Deliktes beschuldigt, hatte sich durch die Flucht der Gefangennahme entzogen. Die Schützen hatten auch die Rekruten zu begleiten, wenn sie ihren Dienst bei ihren Regimentern in Hamm usw. antreten mußten.

Um die Jahrhundertmitte muß das Vereinsleben eine Abkehr vom vormilitärischen Feld genommen haben, und eine lockere gelöste Atmosphäre dürfte sich bald ausgebreitet haben. Der Schützengesellschaft kam keine entscheidende sicherheitstechnische Wehraufgabe mehr zu, denn sie hatte als Vorschule und Prüfstand für einen Schützen den Anreiz verloren. Die ohnehin nur kleine Zahl von Freiwilligen muß in Breckerfeld noch weiter zurückgegangen sein. Nur für 1790 sind 7 Mann aus Breckerfeld als Landeskapitulanten genannt, die sich werben ließen: Henrich Peter Wortmann, Peter Nicolaus Oberhaus, Garl Hochstein, Johann Angoth, Peter Otto sen., Peter Otto jr., Henrich Georg Boos. Darüber hinaus fanden sich hier wohl keine Freiwilligen mehr.

Der Einfluß der Obrigkeit auf den Schützenverein ließ nach, und die strengen Reglements verloren ihre Bedeutung. Schon die Breckerfelder Statuten von 1749 sind nicht mehr königlich genehmigt worden; nur der Richter ist als Vertreter der Öffentlichkeit zugegen und gibt den Bestimmungen den Anschein des Offiziellen. Der Feierfreude stand nicht mehr viel im Wege. Die Feste wurden immer ausgiebiger gestaltet. Um 1753 war Breckerfeld eine "keutfreudige" Gegend, wo das Bier in Strömen floß. Den Bierumsatz und das eigene Stadtsäckel (Biersteuer) wollte der Magistrat noch steigern, als er versuchte, wieder die Gerichtstage in der Stadt abhalten zu dürfen und viele Leute in die hiesigen Wirtshäuser zu ziehen. Jetzt dürften auch die Bauern auf ihrem Vogeischießen "richtig zugelangt" haben, und das Zechen wird auch hier in Mode gewesen sein.

Die alte Teilnahmeverpflichtung am Umzug muß jetzt in eine Berechtigung umgewandelt worden sein, wie es sich in den Satzungen von 1853 wiederfindet. Nur wer schießen wollte, hatte sich einzufinden und dann das Schußgeld zu entrichten. Das Fernbleiben stand nicht mehr unter Strafe. Dies ist auch als ein Zeichen anzusehen, wie sehr sich das Fest allmählich von der Mitte des Jahrhunderts an mit einem anderen Inhalt füllte.

Bei den vielen Kriegen dieses Jahrhunderts, und zwar dem Nordischen, dem Schlesischen, dem Siebenjährigen (1756 ff), dem Napoleonischen (1792 ff), waren die Männer der Landgemeinde als Soldaten oft eingesetzt. Viele sind auf dem Schlachtfeld geblieben, die Zurückgekehrten waren noch einmal davongekommen. Auf dem jährlichen Zusammensein der Bauernschützen trafen sich die alten Kameraden und feierten ihr Wiedersehen. Nach jedem Ausgang eines Krieges muß die Festfreude der Schützen immer hohe Wogen geschlagen haben. Als Treffen der Veteranen hat das Bauernfest dadurch noch eine besondere Note im 18. Jahrhundert erhalten.

Mit der Kriegserklärung Frankreichs rüstete Preußen auf, und die Schützenfeste mußten im ganzen Lande ausfallen; für die Dauer des Krieges und in der französischen Besatzungszeit sollte dies so bleiben. Von 1792 an bis ins 19. Jahrhundert konnten daher auch die Bauern ihr Vogelschießen lange Zeit nicht feiern.


Quelle: Festschrift zum Jubiläum 1979 von Armin Voß